... heiter die Kunst

Puppy Love

Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass man im Urlaub ganz anders herumlĂ€uft als in der Heimatstadt auf dem Weg von A nach B, aber in New York, im Mai 2015, hĂ€tte ich fast an jeder Ecke Menschen gefunden, die sich mit mir zu einem Shoot verabredet hĂ€tten. Vielleicht schaffe ich es demnĂ€chst mal wieder in die Gegend und dann probiere ich es aus.

Auf den Path-Train wartend am World Trade Center Bahnhof war diese junge Frau namens Petra mit ihrem Welpen zu sehen, wahrscheinlich hatte sie ihn gerade vom ZĂŒchter abgeholt und ich zĂŒckte spontan die Kamera (die sowieso immer im Anschlag war) ob dieser liebevollen Szene. SpĂ€ter dann im Zug sprach ich beide an und fragte, ob es Ihnen recht sei, fotografiert zu werden. Beide reagierten sehr erfreut, posten bereitwillig und bekamen die Bilder per E-Mail zugeschickt.

Da ich mit Petras Freundin Sherri (links im Bild ganz unten verdeckt) auf Facebook befreundet bin, weiß ich, dass sie selber Fashion-Fotografin und sehr kreativ ist. Solche Begegnungen bereichern mein Leben und vielleicht treffen wir uns eines Tages in einem Studio wieder. Ausgemacht ist es bereits, aber jetzt trennen uns noch ein paar Tausend Meilen voneinander.

„Puppy Love“ ist eines meiner meist verkauften Bilder und im Pop-Art-Stil bearbeitet. Es besteht aus drei Fotos, die zusammenmontiert wurden. Das Motiv „Love“, eine riesige 3D-Skulptur nahe der 5th Avenue sowie ein Amtrak-Zug finden sich im Hintergrund. Die Farbe Rot wĂ€hlte ich, weil sie nun einmal unzertrennlich mit dem Begriff „Liebe“ verbunden ist.

Bildbewertung-Buzzword-Bingo

Ein Hoch auf die Social Media! Ungeahnte Möglichkeiten eröffnen sich der lernwilligen FotokĂŒnstlerin.

Tief in den virtuellen Tuschkasten gegriffen und hurtig ein schwarz-weißes Bild aus einem Workshop mit Stefan Gesell (www.fotosym.de) und seinem tollen Styling- und Modelteam koloriert. Zugegeben, es ist mir ein bisschen entglitten. Das passiert hĂ€ufiger, wenn man im Rausch der Farben in der Bearbeitung ĂŒber das Ziel hinausschießt.

Aber dafĂŒr hat man doch das Internet!

TĂ€glich grĂŒĂŸt das Murmeltier mit dem Klassiker: Farbig oder schwarz-weiß? Fotografen stellen ein Bild ein, bei dem sie sich nicht entscheiden können, in welchem Aggregatzustand sie es besser fĂ€nden, also macht man eine GegenĂŒberstellung von farbig und entsĂ€ttigt.

Nur Bonus oder gleich den Hauptgewinn?

Die Reaktionen sind immer wieder aufs Neue verblĂŒffend. Zusammen mit dem Rat, ob monochrom oder bunt, bekommt man meistens auch noch ein paar andere VorschlĂ€ge dargereicht, wie das Bild gewinnen könne. Manche kommentieren auch die GĂŒte der Bearbeitung oder ordnen das Foto in das Gesamtlebenswerk ein. Steigerungen sind immer noch möglich.

Hier ein paar Proben der Expertise und dahinter meine geheimsten Gedanken (in Klammern):

Farbig oder s/w? Kann mich nicht entscheiden, mach es Sepia
(Ich hasse Braun in allen Lebenslagen)

Ist das Bild so aus der Kamera gekommen?
(Ist das Christkind ein MĂ€dchen mit goldenem Kleid?)

Mit welcher Kamera ist das aufgenommen?
(Welche Kochtopfmarke benutzt Alexander Herrmann?)

GefÀllt mir ganz gut, ist aber etwas zu kontrastarm/-reich
(Mist, hÀtte ich den Kontrast doch hoch-/runtergeschraubt)

Sind die Haare echt?
(Ist Dir langweilig?)

Sind die Beine verlÀngert?
(Sind Titelbilder auf der Vogue bearbeitet?)

Welcher Photoshop-Filter ist das?
(Der muss erst noch erfunden werden, bis dahin reichen 18 Jahre PhotoshopĂŒben)

Da sind Artefakte (Farbabrisse) im Hintergrund
(Wunder gibt es immer wieder, aber nicht im Web-jpg)

FrĂŒher warst Du cooler/avantgardistischer/innovativer …
(leider meistens wahr)

Das geht noch besser
(leider immer wahr)

FrĂŒher war mehr Ausdruck/Erotik/Lametta/Bearbeitung …
(habe derzeit eine Schlichtheitsphase)

FrĂŒher waren die Bilder edler, reduzierter und schlichter
(habe derzeit eine wilde Pop-Art-Phase)

Mit Schmetterling/Einhorn/Totenkopf wÀre das Bild noch besser
(nein)

Das Bild ist grundsĂ€tzlich nicht schlecht, gibt es das auch mit weiter geöffneten Augen/weiter von links/von rechts/ernster/heiterer/mehr Fleisch außenrum?
(Klingt harmlos, hat aber das gezeigte Bild völlig negiert)

Ach, ich bin auch schuldig Ă€hnliche Äußerungen gepostet zu haben, werde ich doch auch oft nach meiner Meinung gefragt. Geschieht mir also gescheit recht 😉

Hinweise ihres Arztes oder Apothekers:

Dieser Beitrag kann Spuren von Humor enthalten.

Die Frage aller Fragen (Fotografenversion)

Die Frage, die sich wohl jeder Fotobegeisterte einmal stellen muss:

Warum fotografiere ich eigentlich?

Warum stehe ich frĂŒh um 4 vor Sonnenuntergang auf und krabble mit Stativ auf einen Berg im Fichtelgebirge, um vom Asenturm aus Bilder von den in orange getauchten Nadelbaumwipfeln zu machen? Sagte ich ich? War symbolisch gemeint, ich wĂŒrde auch im Antilope Canyon erst um die Mittagszeit eintrudeln, denn Landschaft ist nicht mein Thema.

Urbanes Leben dagegen schon. Im Mai 2015 sprintete ich um 5 auf die Brooklyn Bridge in New York, um die Skyline bei Sonnenaufgang zu fotografieren. Ein Motiv, das jeder kennt und möglicherweise auch schon selber in Bits und Bytes verewigt hat. Warum quĂ€lt man sich dafĂŒr aus dem Bett? Bei allen Microstockanbietern bekommt man fĂŒr ’nen Appel und ein Ei wesentlich schönere Fotos vom Big Apple zu allen Tages- und Jahreszeiten.

Olaf Giermann schreibt auf dem Docma-Blog

Fangen wir von SehenswĂŒrdigkeiten gar nicht erst an 
 Die wurden schon von Millionen Menschen vor Ihnen fotografiert! Von allen Seiten. Egal wie gut Sie sind, es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit aktuell, frĂŒher oder spĂ€ter immer jemanden, der das irgendwie besser oder irgendwie anders kann.

Warum sollten Sie also ĂŒberhaupt noch fotografieren? Es gibt doch schon tausende Fotos davon!

Wenn Sie so denken, sind Sie in die grĂ¶ĂŸte Stolperfalle der Fotografie und des Bild-Erschaffens gelaufen: Sie denken ĂŒber den Sinn des Ganzen nach!

Wenn Ihre Fotografie keinen rein kommerziellen Hintergrund hat – Sie also keinen monetĂ€ren ZwĂ€ngen unterliegen und sich nicht dem Geschmack des Großteils Ihrer Konsumenten beugen mĂŒssen –, sollten Sie sich um all diese Überlegungen ĂŒberhaupt nicht scheren. Halten Sie sich also nie davon ab, etwas zu fotografieren, was bereits jeder vor Ihnen fotografiert hat. Denn SIE SELBST haben es noch nicht fotografiert und SIE SELBST haben das allseits bekannte Motiv noch nicht nach Ihren eigenen Vorstellungen bearbeitet!

Mit eigenen Worten wĂŒrde ich das dann so umschreiben wollen: Der Fotograf ist hier ein Sammler. Er will das Motiv auch haben und selber bearbeiten als eine Art TrophĂ€e. Das leuchtet mir ein. Weniger plakativ könnte man auch sagen, die eigenen Urlaubserinnerungen wollen festgehalten werden, da bietet sich Fotografie doch geradezu an.

Was aber, wenn ein Sinnsucher durch den Sucher schaut?

Der fotografiert natĂŒrlich genauso gerne mal zum Selbstzweck, aber dann braucht er ein menschliches Thema, das fesselt und berĂŒhrt und ein lĂ€ngerfristiges Projektvorhaben entsteht:

Reportage 1

Reportage 2

Das spannendste Motiv …

… ist immer noch der Mensch. Es gibt Personen, die wurden zigtausendmal abgelichtet, obwohl sie im konventionellen Sinn gar nicht schön sind, da fĂ€llt mir spontan Barbra Streisand ein. „Diese Nase, mein Lieber 
” 

In der hollywoodfernen Familie sind natĂŒrlich die eigenen Kinder oder Eltern das meist fotografierte Motiv. Das Aufwachsen und das Altwerden sind natĂŒrliche Phasen unseres Lebens und so können wir die Erlebnisse zumindest einfrieren, auch wenn wir die Menschen einmal gehen lassen mĂŒssen (manchmal leider viel zu frĂŒh).

Vielleicht ist die Angst vor Verlust und Vergessen eine der stĂ€rksten Triebfedern fĂŒr den Erinnerungsarchivar hinter der Kamera.

Inszenierung auf dem Kindergeburtstag

Wenige dieser Familienbilder sind ungestellt und authentisch. Schon wenn man jemand zum LĂ€cheln auffordert, verfĂ€lscht man z.B. den Ausdruck des Filius in der fotografisch höchst interessanten Trotzphase. Kaum etwas ist gestellter als ein Gruppenbild 
 „Und jetzt alle Daumen hoch!”

tessa_tableau_web1

Warum fotografiere ich?

Ich fotografiere, weil mich Menschen interessieren, im Idealfall kann ich die Persönlichkeit zeigen. Vielleicht kann der Betrachter das Bild gar nicht richtig deuten, weil man nur bis zu einem gewissen Grad so etwas Komplexes wie Persönlichkeit in einem Frame darstellen kann. Ich kenne nur wenige Menschen, die vor der Kamera so ganz sie selber zu sein scheinen, dass man glaubt, sie nur vom Anschauen persönlich zu kennen.

Vielleicht ist auch das nur ein Trugschluss, aber wer sagt, dass Fotografie ohne Risiken und Nebenwirkungen auskommt 
 in diesem Spannungsfeld von Inszenierung und AuthentizitÀt operieren wir bei jedem Shoot wie am offenen Herzen.

Wer glaubt, dass er nur einen Termin mit einer fremden Person auszumachen braucht und sofort zu kongenialen Ergebnissen kommt, ist ein großer Optimist. Mein Vorbild Annie Leibovitz sagt, dass sie mindestens einen halben Tag braucht, um einen Menschen kennen zu lernen, und auch im Vorfeld ihre Hausaufgaben machen muss, um möglichst viel Information ĂŒber den zu PortrĂ€tierenden zu sammeln.

Erst Konzept, dann knipsen

Die gezeigten Beitragsbilder sind in Zusammenarbeit mit Tessa-Jean Cook entstanden.

Auf Facebook

Wir hatten uns getroffen, um das Thema „Verzweiflung“ oder vielleicht auch „Verletzlichkeit“ auszudrĂŒcken, Themen, die wir in unserer Biografie zeitweise gerne ausgeklammert hĂ€tten.

Hier schreibt Tessa ĂŒber ihre Gedanken zur Kunst:

Tessa speaks her mind

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„Ein Foto ist nur ein Bild, wenn ein Mensch drauf zu sehen ist“

Da immer ein Fazit angemahnt wird, möchte ich mit diesem Zitat von mir selber schließen.

Wo meine Reise hinter dem Sucher hingeht, weiß ich nicht. Tatsache ist, dass mich dabei immer Menschen vor dem Sucher begleiten. Nur in der People Fotografie findet eine Interaktion bildentscheidend statt. Deshalb darf das Fichtelgebirge gerne ohne mich weiterhin im Sonnenaufgang erstrahlen.