Oktober 2020

„Mir war nie langweilig“

Jochen Schoberth ist ein Urgestein der Bayreuther Musikszene. In den 1980er Jahren führte er die Etage in der Markgrafenallee und ist bis heute aktiver Gitarrist in der von ihm gegründeten Band: „Bella Donna“. Er bezeichnet sich selbst zuerst als Musiker, dann als Ton- und Videotechniker. Hier verlinkt die Stadt der Träume aus Etagezeiten, 1992:

In seinem Studio finden sich einige legendäre Sammlerstücke wie Artwork, Jupiter-6 oder Emax an musikalischem Equipment, die heute noch ihren Dienst tun und aus Modellreihen stammen, mit denen früher Depeche Mode, Van Halen, Genesis und andere arbeiteten. So ist Jochens Credo, dass die Stücke, die er auswählt, nicht bloßes Werkzeug, sondern Inspiration sein sollen. So ist es wenig verwunderlich, dass er langjähriger Macuser ist, was ein alter PPC 7200 beweist, auf dem heute noch FileMaker für die Buchhaltung läuft.  Einige seiner älteren Rechner beherbergen Spezialprogramme, für die es keine aktuellen Upgrades mehr gibt. Wer wie ich eine alte 2009er Käsereibe sein eigen nennt, weiß es zu schätzen, dass Jochen quasi nebenbei unter Geplauder ein Prozessorupgrade einbauen kann, wenn ich als grobmotorische Eigentümerin den Mut dazu nicht habe. Er kennt wirklich fast jeden Mac der vergangenen Jahre sprichwörtlich in- und auswendig.

Bereits vor Corona erkannte Jochen, dass die Zeiten für Musiker sich ändern würden. Nachdem die Anzahl von Festivals in den 1990ern stark anstieg, kam es zu einem Verdrängungswettbewerb, aus dem die großen Etablierten wie „Wacken“ und „Rock im Park“ als feste Größe hervorgingen. Andere wiederum verschwanden von der Bildfläche. Tendenz weiterhin abnehmend.

Eine Parallele dazu sieht er auch in den einschlägigen Fachmessen, die ebenfalls vor Jahren an Bedeutung verloren. Die Kundengewinnung geht heute über andere Kanäle, man spart sich gerne sündhaft teure Standmieten, die man erst mühsam über Projekte wieder amortisieren müsste.

Mit Corona nehmen diese Entwicklungen an Fahrt auf. Großveranstaltungen, seien es Festivals oder Fachmessen, sind auf Monate hinaus auf Eis gelegt. Jochen rechnet damit, dass das in 2021 so bleiben wird. Als die Krise begann, hatte er gerade erheblich in Aufnahmetechnik für fest gebuchte lukrative Engagements investiert, die dann gezwungenermaßen nicht stattfinden konnten. Glücklicherweise konnte er mit der bayerischen Soforthilfe ein paar Wochen überbrücken bis er andere Projekte durchführen konnte.

Ein Highlight war die Aufnahme und das Streaming der Oper „Sonnenflammen“ von Siegfried Wagner im Bayreuther „Reichshof“. Das Besondere an der Veranstaltung war, dass sie unter strengen Hygieneauflagen – also coronagerecht – ablief. Der Dirigent hatte im Vorfeld die Orchestermusik mit hochwertigen digitalen Samples eingespielt (digitales Orchester) und das ganze Ensemble bewegte sich quasi in Quarantäne, indem sie zwischen den Proben im Hotel und den Aufführungen pendelte, ohne Kontakt zur Bevölkerung zu haben. Die Zuschauer wiederum wurden nur in begrenzter Zahl eingelassen, so dass der Abstand auf den Stühlen gewahrt wurde.

Mich wunderte, dass ich von dem Projekt zwar auf Jochens Facebook-Seite https://www.facebook.com/jochen.schoberth erfahren, aber ansonsten keine offizielle Kommunikation zum Konzert wahrgenommen hatte. Kann es sein, dass das Coronagetöse auf allen Kanälen solche Veranstaltungen verdrängt? Momentan hört man fast nur Negatives, dass Martini und Weihnachtsmärkte unter freiem Himmel abgesagt werden. Werden am Ende dadurch positive Meldungen übersehen?

Jochen befürchtet, dass Corona soziale Ungerechtigkeiten befeuern wird, was nichts Ungewöhnliches für Krisen ist. Für ihn ist jedoch wichtiger, dass unaufschiebbare Entwicklungen endlich beschleunigt werden, über die lange geredet wurde, und für deren Umsetzung jetzt die Weichen gestellt werden. Zum einen nennt er den Klima- und Umweltschutz, für den die eigene Einstellung zu Urlaubsflügen überdacht werden muss. Soll man wirklich zweimal im Jahr wegfliegen oder gar mit einem Kreuzfahrtmonster durch die Meere schippern? Der ökologische Fußabdruck muss kleiner werden und Corona ist die Gelegenheit, das jetzt Realität werden zu lassen.

Seine Lebensphilosophie war schon immer, dass man das hart erwirtschaftete Geld nachhaltig und sinnvoll ausgeben sollte. So ein Auslandsurlaub sei zwar schön, aber das Geld sei ihm zu schade. Da bin ich an meine eigene Selbstständigkeit erinnert, in der ich schwer vorausplanen konnte, wann ich mal eine Zeit wegfahren könnte. Es ergibt sich fast zwangsläufig eine Verschmelzung von Freizeit und Arbeit, Beruf und Hobby, wenn man das, was man macht, einfach liebt.

Jochen ärgern die Coronaleugner, von denen er glaubt, dass es vor allem Singles sind, die gewohnt sind, ihren Egoismus auszuleben. Diese fühlten sich derart eingeschränkt, dass sie absurden Verschwörungstheorien anhingen, die ihren Frust und Zorn auf die Anti-Coronamaßnahmen vermeintlich rechtfertigen. Für ihn gibt es keine Diskussionen darüber, ob man alles daran setzten sollte, Leben zu schützen, es ist moralische Pflicht. Nach seiner Meinung tut die Politik nicht genug, um den Virus konsequent einzudämmen. Besonders Donald Trump habe Covid anfänglich nicht ernst genommen und habe deshalb die schlimmen Konsequenzen zu verantworten.

Ich frage Jochen, ob er kreative Lösungsansätze gebraucht hat, um durch die Coronazeit zu kommen. Er meint, für ihn habe sich nicht viel geändert, ihm sei nie langweilig geworden. Seine Brot- und Butterjobs habe er weiter machen können, z.B. CD-Mastering für Musikmagazine. Auch der Probebetrieb von „Bella Donna“ sei normal weitergelaufen, da der Raum groß genug ist und die Band fand Zeit, an neuen Stücken zu arbeiten. Liegengebliebenes wartet bis heute auf Aufarbeitung.

Wahnfried in 3D auf Sketchfab

Außerdem braucht Jochen keine Krisenzeiten, um sich weiterzuentwickeln, denn das tut er seiner Natur gemäß eigentlich ständig. Über die Beschäftigung mit Drohnentechnik, sowohl für Fotografie als auch Video, kam er auf die Idee markante Baudenkmäler in 3D-Objekte umzusetzen. Selbst die Villa Wahnfried war nicht vor ihm sicher oder ein Bahnhof im Bayreuther Umland. Natürlich reicht es nicht, wenn man digitale Daten erstellt, ein 3D-Drucker wurde angeschafft, um Modelle herzustellen, die dann von ihm zuletzt per Airbrush gefinisht werden.

Live-Streaming von Konzerten ist angesagt in Zeiten, in denen Publikum nicht anwesend sein darf. Jochen bedauert, dass die Qualität zu häufig bescheiden gewesen sei. Sein professioneller Anspruch brachte ihm den Auftrag ein, ein Soloklavierkonzert am berühmten Liszt-Flügel aus dem Rokokosaal bei Steingraeber zu streamen. Eine Technik, die ganz und gar nicht trivial ist, da die Latenzen zwischen Bild und Ton ausgeglichen werden müssen, so dass Ton und Video synchron sind und das in Echtzeit. Das beherrscht wirklich nicht jeder.

Natürlich bin ich beeindruckt von so viel Erfahrung und Wissen, kann mir natürlich nur die Hälfte der genannten Fachausdrücke und Geräte merken, aber lasse mich zum Schluss noch schnell mit einem iPhone und 3D-Software scannen.

Lasst Corona nicht euer Leben kontrollieren

Ulric Nijs aus Belgien ist kein bildender Künstler. Seine Leidenschaft sind Cocktails und besondere Spirituosen, wie der hierzulande wenig bekannte chinesische Baijiu. Man kann sagen, seine Werke sind temporär, sie werden manchmal innerhalb von Minuten hinter die Binde gekippt. Und doch sind sie durchaus als Kunst zu bezeichnen, denn seine Kreationen sind fein aufeinander abgestimmt, die Zubereitung der Cocktails oder Longdrinks wird vor dem Gast zelebriert, es entsteht eine Art Musik für den Gaumen aus Geschmack. Kompositionen, die dem Gaumen schmeicheln – und die natürlich allesamt alkoholisch sind, wie die Schreiberin dieser Zeilen feststellen musste, als sie die guten China-Brände höchstselbst probierte.

Was tut also ein Cocktailmixer und Spirituosen-Berater? Er reist üblicherweise durch die Welt, denn seine Kunden sind weit zerstreut, Japan, China und Venezuela wären 2020 seine Reiseziele gewesen, nur konnte er Deutschland nicht verlassen, aus bekannten Gründen.

Alle Veranstaltungen, auf denen seine Expertise gefragt wäre, wurden abgesagt. Neue Forschungsreisen auf der Suche nach unbekannten aufregenden Baijiu-Sorten in China waren einfach nicht möglich. Auch aktuell ist es sogar für Chinesen nicht einfach, das Land zu verlassen und dann wieder einzureisen. Daher ist es umso schwieriger für Ausländer, dorthin zu gelangen.

Anfänglich dachte Ulric, dass die Pandemie temporär sein würde. Dass er spätestens ab der zweiten Jahreshälfte seine Geschäfte wieder aufnehmen könne. Hier in Deutschland sind die Möglichkeiten für seine Arbeit mit Spirituosen sehr eingeschränkt. In Oberfranken, wohin ihn die Liebe ursprünglich verschlagen hatte, ist es ganz desolat. Die wenigen Jobs, die Cocktailmixen oder Bartending beinhalten, sind für einen Kenner seines Fachs nicht geeignet.

Im Cocktailentwicklungsland Oberfranken hält Ulric die Liebe zu seinem Sohn, den er als sein Leben bezeichnet, und für den er seine beruflichen Aussichten hintanzustellen bereit ist. Aber auch in Metropolregionen, wo es eine Barkultur gibt, hat Corona erbarmungslos zugeschlagen. Rigorose Schließungen von Kneipen oder frühe Sperrstunden haben viele Freunde und Kollegen von Ulrich in Existenznöte gebracht. Gerade die Gastronomie leidet unter dem Wegbleiben der Gäste oder den Maßnahmen, die den Virus einschränken sollen, aber vor allem den Leuten die Lust am Ausgehen vergällen.

Wie finanziert sich Ulric nun, da seine Beratungstätigkeiten weggebrochen sind? Er erzählt mir, dass sein ursprüngliches Hobby, seine Cocktails zu fotografieren, mittlerweile seine Fixkosten zum großen Teil sichert. http://thefullpix.de Er fotografiert Neugeborene in Krankenhäusern im Bayreuther Landkreis  und hat so auch die soziale Sicherung von Kurzarbeit genießen dürfen, die ihm als Soloselbständigen sonst nicht zuteil würde.

Die Freizeit konnte er nutzen, um seine Skills in der Produktfotografie zu perfektionieren, was ihm auch Aufträge nebenbei einbringt. Aber das Home Office ist für ihn eher eine Sackgasse, denn seine Fotoobjekte, die Flaschen mit den begehrten Spirituosen, können wegen der Bruchgefahr schlecht per Post versendet werden. Seine Arbeit hängt tatsächlich von persönlichen Exkursionen und Kontakten zu Herstellern und Erzeugern ab.

Die Reisen, die derzeit möglich sind, bringen jedoch auch Nachteile mit sich. So muss Ulric etwaige Quarantänezeiten mit einplanen, was mit seinem Tagesjob kollidieren könnte. Auch innerhalb der EU werden Risikogebiete oder Hotspots ausgerufen, wie z.B. in Brüssel in seinem Heimatland Belgien. Dort findet ein wichtiger Wettkampf für Spirituosen statt, für den Ulric als Preisrichter geladen ist.

Welche Erfahrungen machte Ulric in der Coronausnahmezeit? Zum einen hat Ulric es als angenehm empfunden, die nähere Umgebung um seinen Heimatort zu erkunden und so genoss er es z.B. Ausflüge zum Klettern in die fränkischen Schweiz zu machen, in der er magische Momente erlebte. Statt also in exotische Fernen zu schweifen, blieb er gezwungenermaßen mehr im Lande und fühlte sich aber als Globetrotter ziemlich eingesperrt. Nicht einmal ein spontaner Kurztrip nach Prag ist momentan möglich, was Ulric bedauert, da er dort gerne eine Freundin besuchen würde.

Corona ist nicht die erste Epidemie, die Ulric mitmacht. SARS und MERS hat er selbst vor Ort erlebt und überlebt. Somit schreckt ihn SARS-CoV-2 nicht besonders, auch wenn er selbst zur Risikogruppe gehört. Mehr Sorgen bereiten ihm die finanziellen Folgen, die der Virus für ihn nach sich zieht. Barleute gehen heutzutage zuhauf pleite.

Auch wenn er alles andere als ein Fan von Donald Trump ist, so muss er dem US-Präsidenten Recht geben, wenn er sagt: Lasst Corona nicht euer Leben kontrollieren. Ulric meint, wir müssten alle sterben, aber er selbst möchte nicht wie ein Vogel im Käfig leben, sondern frei fliegen, auch wenn das gefährlich, potenziell gar tödlich sein mag.

Schockiert war Ulric auch darüber, wie sehr sich Leute auf Facebook über das Thema entzweien. Er findet, dass man sich weniger von der Panik einnehmen lassen sollte. Eines Tages wird auch diese Pandemie unter Kontrolle sein und das Leben geht sowieso inzwischen weiter, meint Ulric. Es macht keinen Sinn, sich so verbiegen zu lassen.

Wenn es wieder möglich ist, möchte Ulric wieder hinaus in die weite Welt und neue Geschmacksvarianten finden, mit denen er die Freunde von Spirituosen und Mixgetränken bereichern kann. Auf seinem Gebiet möchte er nach Höheren streben und hat noch viel vor. Das Virus behindert ihn zwar dabei, aber das ist wahrscheinlich nicht die letzte Pandemie, die er erleben wird. Nur ist es eben dieses Mal eine, die seine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Daher hofft er auf ein baldiges Ende. Denn in seinem Beruf ist „social distancing“ ein Insolvenzgrund.

Theaterdämmerung

Acht Jahre ist es schon her, dass ich die Plakate und Programmhefte für den Kulturstadl in Bayreuth gestalte. Seit 1982 werden jedes Jahr vier bis fünf Stücke vorbereitet und auf die Bühne gebracht. Das alles von ehrenamtlichen SchauspielerInnen, RegisseurInnen, BühnenbildnerInnen, TechnikerInnen und vielen helfenden Geistern, die Kostüme nähen, schminken, Tickets oder Getränke verkaufen. http://www.kulturstadl.de

Im März 2020 endete abrupt die Vorbereitung auf das Stück „Wie Bonnie und Clyde“. Plakate und Programmzettel waren schon fertig gedruckt und doch musste das Amateurtheater im Zuge der Versammlungsverbote meines Wissens erstmalig schließen. Seitdem gab es nur eine Aufführung unter freiem Himmel – „das Heckentheater“ – die Bühne bleibt seit Monaten unbespielt. Jetzt im Herbst wäre wieder Märchenzeit gewesen, mitunter die aufwändigste Produktion im Jahr, die mit Mehrfachbesetzungen von aufgeregten Kindern aufwartet, weil die SchauspielerInnen im Grundschulalter natürlich nicht so viele Spieltermine wahrnehmen können, wie sie um Weihnachten üblicherweise stattfinden. Diese Vorführungen waren eine feste Größe am Jahresende und immer gut besucht. Vor genau einem Jahr hatten Ruby Tanner und Sonja Vogtmann die Regie bei „Rapunzel“ übernommen und so kontaktierte ich die beiden Freundinnen, um sie über ihre Erlebnisse während der spiel- und regiefreien Zeit zu befragen.

Beide antworteten unisono, dass sie die sozialen Kontakte vermissen, die das Theatermachen mit sich bringt. Wer das noch nicht selber miterlebt hat, kann sich gar nicht vorstellen, wieviele Stunden man miteinander verbringt bis ein Stück bühnenreif ist. Da überrascht es nicht, dass dort Freundschaften fürs Leben beginnen (und leider manchmal auch beendet werden). Ruby und Sonja standen schon häufiger zusammen auf der Bühne, obwohl beide betonen, dass das eigentlich der geringste Anteil an der Schauspielerei ist. Viel mehr fallen die praktischen Herausforderungen ins Gewicht, die Fragen und Probleme, die bei der Realisierung von Stücken aufkommen und die gemeinsam gelöst werden müssen. Von Musikauswahl, Kostümproblemen über Besetzung bis zu schrillenden Telefonklingeln und anderem Bühnen-Effekten reichen die Herausforderungen und gehen noch darüber hinaus. Ruby und Sonja meinen, das sei der eigentliche Kern ihrer Tätigkeiten – Lösungen zu finden – vor allem, wenn sie zusammen Regie führen.

Es überrascht mich, dass das eigentliche Schauspielen auf der Bühne so in den Hintergrund tritt, aber die beiden versichern mir, dass für sie das Team und die gemeinsame Arbeit das entscheidende sei. Da sei kein Platz für Eifersüchteleien oder falschen Ehrgeiz, zumindest sie beide hätten diese hinter sich gelassen und so sind sie feste Größen im Stadl geworden und übernehmen die Verantwortung für ganze Stücke. Ein ungeheurer Druck lastet auf Regisseuren, man operiert mit Chaos und Zeitknappheit, überall menschelt und kriselt es, die Premiere kommt immer zu früh, Nerven liegen blank … Der Gast auf samtweichem Theaterstuhl erfährt davon nichts. Für 10 Euro Eintritt ist es ein günstiges Vergnügen, aber auf der anderen Seite des Vorhangs war es ein hartes Stück Arbeit.

Ich frage natürlich, was sie sonst noch in der Theaterpause erlebt hätten. Ruby meint, dass sie gerade in der Anfangszeit von Corona eine Kur angetreten hatte und mit der ungewöhnlichen Situation fernab des Alltags beschäftigt war. Sonja, dagegen, empfand es als angenehm, aus dem Stress der sonst aufeinanderfolgenden Projekte (sie sie ja neben ihrem Vollzeitjob stemmt) herausgenommen zu sein, schließlich wirkte auch ihr Mann in vielen Stücken mit und ein Großteil ihrer Freizeit verbrachten beide auf Probebühnen und bei Leseproben. In der zwangsweise spielfreien Phase nützte Sonja die Zeit, das Rauchen aufzuhören und mit Sport anzufangen. Corona hatte also durchaus etwas Positives bei ihr bewirkt. Ruby pflichtet ihr bei, dass auch sie der Epidemie zu verdanken hatte, dass ihre Kur wesentlich verlängert wurde.

War die Pause vom Stress anfänglich willkommen, so wurde es beiden bald zu ruhig. Ruby sinniert, die plötzliche Pause habe sie erst nach der Reha zurück im Alltag realisiert, es sei wie ein Schock gewesen, während Sonja die Zäsur im Frühjahr gar nicht als so schlimm empfunden hätte. Ihr würde das Theater im Winter, in der dunklen Zeit, mehr fehlen.

So habe Sonja auch den Urlaub in heimischen Gefilden als erholsam und schön erlebt, ins Ausland zog es sie angesichts der Gefahren überhaupt nicht. Gefehlt habe ihr aber neben den Stadlern vor allem Konzerte und Musikfestivals. Ruby vermisste die vielen Veranstaltungen, auf denen sich mit ihrer Stadl-Jugend aktiv gewesen wäre, gerade das Kinderschminken bereicherte diverse Bayreuther Festivitäten, die sämtlich dieses Jahr ausgefallen waren.

Ruby stöhnt über die bürokratischen Hürden und mühsamen Prozesse hin zu Hygienekonzepten, die z.B. das erwähnte „Heckentheater“ mit sich brachte. Ständig müsse man sich fragen: Was ist erlaubt? Wie kann man es verhindern, dass Mitwirkende oder Gäste einem Risiko ausgesetzt werden? Ruby findet das anstrengend, aber absolut notwendig.

Sonja ist aber guter Hoffnung, dass sich die Infektionslage im kommenden Frühjahr entspannt haben wird und dann langsam wieder ein eingeschränkter Theaterbetrieb aufgenommen werden kann. Aber das steht momentan noch in den Sternen. Wie sich ein Spielplan in 2021 gestalten ließe, ist derzeit völlig offen.

Ich möchte natürlich noch wissen, ob sich für Ruby und Sonja nach Corona etwas verändern wird. Ruby meint, dass die spielfreie Zeit sicher zu neuer Dynamik im Kulturstadl führen wird. Jeder habe viel Zeit gehabt, über seine Rolle im Team nachzudenken und daher erwartet Ruby neue Impulse.

Sonja glaubt, dass sie ihre Mitarbeit im kommenden Jahr neu gewichten wird. Dabei freut sie sich über neue Projekte, an die aber besondere Anforderungen gestellt werden. So darf nicht nur im Zuschauerraum, sondern auch auf der Bühne eine gewisse Anzahl Personen nicht überschritten werden. Ein Stück mit so vielen Schauspielern wie „der nackte Wahnsinn“, das mitten in der Spielzeit vorzeitig beendet werden musste, wäre undenkbar. Das seien große Herausforderungen, meint Sonja, die optimistisch ist, dass man sich nicht allzu lange mit den Einschränkungen herumschlagen  müsse. 

Vielleicht behält Sonja ja Recht und es geht im Frühjahr 2021 wieder weiter, nach über einem Jahr Zwangspause gäbe es dann wieder eine „Theaterdämmerung“.

Ich bedanke mich für das nette Gespräch, das positiv stimmt und – wie man an den Bildern sehen kann – von guter Laune und herzlichem Lachen begleitet war.

Ein vereinsamtes Kleid im Fundus des Brandenburger Kulturstadls.