... heiter die Kunst

Back to the Roots

Im Wohnzimmer meiner Oma mütterlicherseits gleich neben der Anrichte hing in den 80er Jahren ein Kalender mit dem Spruch: „Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen tiefe Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel“. Der Gedanke, Flügel zu bekommen, gefiel mir so sehr, dass ich den Sinnspruch abschrieb, wobei ich ihn all die Jahre nicht vergessen konnte. Heute lege ich mehr Wert auf tiefe Wurzeln.

So ungefähr sah die Anrichte aus.

https://bloomoose.de/2020/11/10/fotografierst-du-noch-oder-knipst-du-schon/

Alle paar Jobelperioden überlege ich mir, welche Weichenstellungen der Vergangenheit ich mittlerweile für falsch halte, welche Irrwege ich korrigieren müsste und welche neuen Ziele ich ins Auge fasse. In den vergangenen Monaten habe ich viel in diese Richtung nachgedacht und Türen geschlossen, wodurch sich neue auftaten. Uralte Freundschaften ruhen, andere sind entstanden oder neu erblüht. Denkverbote müssen auf den Prüfstand, damit Freiheit sich manifestieren kann.

Die Idee, dass man mehrere Leben Zeit hat, um den richtigen Weg zu finden, halte ich für gefährlich falsch. Gehen wir von einem einzigen Leben aus und davon, dass wir gar nicht so viele Jahre haben, um zu suchen, auszuprobieren, zu reflektieren und dann den Kurs zu korrigieren. Die Zeit vergeht wie im Flug, der Alltag verbraucht zu viel Energie, Banales drängt sich vor. 25 Jahre braucht man, um erwachsen zu werden und dann verstrickt man sich vielleicht noch 25 Jahre lang in Oberflächlichkeiten. Sind die flatterhaften Flügel in Wirklichkeit Krücken, Kompensation, Täuschung? Kann man 50 Jahre und länger befreundet (oder gar verheiratet) sein und derart aneinander vorbeileben? Ohne Bitterkeit muss ich sagen, ja, das ist leider möglich. Und ich habe Frieden darüber, weil ich weiß, dass es auch wieder Zeiten geben wird, wo die Wege wieder zusammenlaufen.

Wenn ich heute auch nicht mehr das Fliegen anstrebe, so fühle ich mich geerdet wohler denn je. Enttäuschung ist das Ablegen von Täuschung. Es ist ein Gewinn, es hilft, Frieden zu machen mit den eigenen Fehlern, die Fehler der anderen sind nicht meine Angelegenheit. Ein Blick auf die Diskussionen in den Social Media zeigt: Wir urteilen viel zu schnell, ohne nachzufragen, ohne innezuhalten, reflexartig. Dabei täte es not, dass wir uns Raum schenkten, um uns auch in unseren Irrtümern wieder neu zu orientieren und über Brücken zu gehen und uns wieder zu finden. Vielleicht nach Jahren, aber mit offenen Armen. Weil wir wissen, dass wir selbst falsch lagen oder gefährdet sind, irgendwann in der Zukunft falsche Schlüsse zu ziehen.

Der Gingko-Baum im Friedhof St. Georgen musste ein paar Blätter lassen.

Denn meine Mutter liebte Gingkoblätter.

Begonnen hat mein Umdenken, als ich als Christin etwas geradezu Revolutionäres getan habe, indem ich die Bergpredigt zum ersten Mal als einen Lebensentwurf gelesen und in mein Herz geschlossen habe. Gesetzlichkeit oder Religiosität haben hier keinen Platz, geistlich arm sein ist die erwünschte Herzenshaltung. Es geht nicht um schöne wohlklingende Worte, von der Feindesliebe beispielsweise, hier findet Transformation statt, und dazu braucht es den Mut der Verzweiflung.

Back to the Roots heißt für mich, den ausgetretenen Mittelweg zu verlassen und den schmalen Pfad zu suchen, auch wenn Gratwanderungen temporäres Scheitern beinhalten. Vermeintliche Sicherheiten loslassen, Korrektur zulassen, lernen. Und streckenweise muss man alleine gehen, um zu sehen, wieviel tiefer man noch schürfen muss. Aber immer gibt es auch Begegnungen mit Menschen, die sich genauso der persönlichen Weiterentwicklung verschreiben.

Was hat das aber mit diesem Blog zu tun? Ich habe hier ganz viel ausgemistet, was meinem neuen Anspruch nicht genügt. Viele Beiträge habe ich gelöscht, weil sie nicht mehr zu meinem Lebensthema passen. Vielleicht werden noch ein paar verschwinden, wenn neuer Content kommt. Das ist zwar nicht der Zweck von solchen Blogs, aber Regeln muss man überdenken und ggf. brechen. Ich hoffe, dass ich in der Zukunft interessante Inhalte posten kann, die nur am Rand mit Fotografie oder Bildern zu tun haben, sondern vor allem durch Geschichten von Entwicklung und Transformation inspirieren.

 

Das Titelbild zeigt eine Hausmauer im Kreuzstein in Bayreuth.

„Mir war nie langweilig“

Jochen Schoberth ist ein Urgestein der Bayreuther Musikszene. In den 1980er Jahren führte er die Etage in der Markgrafenallee und ist bis heute aktiver Gitarrist in der von ihm gegründeten Band: „Bella Donna“. Er bezeichnet sich selbst zuerst als Musiker, dann als Ton- und Videotechniker. Hier verlinkt die Stadt der Träume aus Etagezeiten, 1992:

In seinem Studio finden sich einige legendäre Sammlerstücke wie Artwork, Jupiter-6 oder Emax an musikalischem Equipment, die heute noch ihren Dienst tun und aus Modellreihen stammen, mit denen früher Depeche Mode, Van Halen, Genesis und andere arbeiteten. So ist Jochens Credo, dass die Stücke, die er auswählt, nicht bloßes Werkzeug, sondern Inspiration sein sollen. So ist es wenig verwunderlich, dass er langjähriger Macuser ist, was ein alter PPC 7200 beweist, auf dem heute noch FileMaker für die Buchhaltung läuft.  Einige seiner älteren Rechner beherbergen Spezialprogramme, für die es keine aktuellen Upgrades mehr gibt. Wer wie ich eine alte 2009er Käsereibe sein eigen nennt, weiß es zu schätzen, dass Jochen quasi nebenbei unter Geplauder ein Prozessorupgrade einbauen kann, wenn ich als grobmotorische Eigentümerin den Mut dazu nicht habe. Er kennt wirklich fast jeden Mac der vergangenen Jahre sprichwörtlich in- und auswendig.

Bereits vor Corona erkannte Jochen, dass die Zeiten für Musiker sich ändern würden. Nachdem die Anzahl von Festivals in den 1990ern stark anstieg, kam es zu einem Verdrängungswettbewerb, aus dem die großen Etablierten wie „Wacken“ und „Rock im Park“ als feste Größe hervorgingen. Andere wiederum verschwanden von der Bildfläche. Tendenz weiterhin abnehmend.

Eine Parallele dazu sieht er auch in den einschlägigen Fachmessen, die ebenfalls vor Jahren an Bedeutung verloren. Die Kundengewinnung geht heute über andere Kanäle, man spart sich gerne sündhaft teure Standmieten, die man erst mühsam über Projekte wieder amortisieren müsste.

Mit Corona nehmen diese Entwicklungen an Fahrt auf. Großveranstaltungen, seien es Festivals oder Fachmessen, sind auf Monate hinaus auf Eis gelegt. Jochen rechnet damit, dass das in 2021 so bleiben wird. Als die Krise begann, hatte er gerade erheblich in Aufnahmetechnik für fest gebuchte lukrative Engagements investiert, die dann gezwungenermaßen nicht stattfinden konnten. Glücklicherweise konnte er mit der bayerischen Soforthilfe ein paar Wochen überbrücken bis er andere Projekte durchführen konnte.

Ein Highlight war die Aufnahme und das Streaming der Oper „Sonnenflammen“ von Siegfried Wagner im Bayreuther „Reichshof“. Das Besondere an der Veranstaltung war, dass sie unter strengen Hygieneauflagen – also coronagerecht – ablief. Der Dirigent hatte im Vorfeld die Orchestermusik mit hochwertigen digitalen Samples eingespielt (digitales Orchester) und das ganze Ensemble bewegte sich quasi in Quarantäne, indem sie zwischen den Proben im Hotel und den Aufführungen pendelte, ohne Kontakt zur Bevölkerung zu haben. Die Zuschauer wiederum wurden nur in begrenzter Zahl eingelassen, so dass der Abstand auf den Stühlen gewahrt wurde.

Mich wunderte, dass ich von dem Projekt zwar auf Jochens Facebook-Seite https://www.facebook.com/jochen.schoberth erfahren, aber ansonsten keine offizielle Kommunikation zum Konzert wahrgenommen hatte. Kann es sein, dass das Coronagetöse auf allen Kanälen solche Veranstaltungen verdrängt? Momentan hört man fast nur Negatives, dass Martini und Weihnachtsmärkte unter freiem Himmel abgesagt werden. Werden am Ende dadurch positive Meldungen übersehen?

Jochen befürchtet, dass Corona soziale Ungerechtigkeiten befeuern wird, was nichts Ungewöhnliches für Krisen ist. Für ihn ist jedoch wichtiger, dass unaufschiebbare Entwicklungen endlich beschleunigt werden, über die lange geredet wurde, und für deren Umsetzung jetzt die Weichen gestellt werden. Zum einen nennt er den Klima- und Umweltschutz, für den die eigene Einstellung zu Urlaubsflügen überdacht werden muss. Soll man wirklich zweimal im Jahr wegfliegen oder gar mit einem Kreuzfahrtmonster durch die Meere schippern? Der ökologische Fußabdruck muss kleiner werden und Corona ist die Gelegenheit, das jetzt Realität werden zu lassen.

Seine Lebensphilosophie war schon immer, dass man das hart erwirtschaftete Geld nachhaltig und sinnvoll ausgeben sollte. So ein Auslandsurlaub sei zwar schön, aber das Geld sei ihm zu schade. Da bin ich an meine eigene Selbstständigkeit erinnert, in der ich schwer vorausplanen konnte, wann ich mal eine Zeit wegfahren könnte. Es ergibt sich fast zwangsläufig eine Verschmelzung von Freizeit und Arbeit, Beruf und Hobby, wenn man das, was man macht, einfach liebt.

Jochen ärgern die Coronaleugner, von denen er glaubt, dass es vor allem Singles sind, die gewohnt sind, ihren Egoismus auszuleben. Diese fühlten sich derart eingeschränkt, dass sie absurden Verschwörungstheorien anhingen, die ihren Frust und Zorn auf die Anti-Coronamaßnahmen vermeintlich rechtfertigen. Für ihn gibt es keine Diskussionen darüber, ob man alles daran setzten sollte, Leben zu schützen, es ist moralische Pflicht. Nach seiner Meinung tut die Politik nicht genug, um den Virus konsequent einzudämmen. Besonders Donald Trump habe Covid anfänglich nicht ernst genommen und habe deshalb die schlimmen Konsequenzen zu verantworten.

Ich frage Jochen, ob er kreative Lösungsansätze gebraucht hat, um durch die Coronazeit zu kommen. Er meint, für ihn habe sich nicht viel geändert, ihm sei nie langweilig geworden. Seine Brot- und Butterjobs habe er weiter machen können, z.B. CD-Mastering für Musikmagazine. Auch der Probebetrieb von „Bella Donna“ sei normal weitergelaufen, da der Raum groß genug ist und die Band fand Zeit, an neuen Stücken zu arbeiten. Liegengebliebenes wartet bis heute auf Aufarbeitung.

Wahnfried in 3D auf Sketchfab

Außerdem braucht Jochen keine Krisenzeiten, um sich weiterzuentwickeln, denn das tut er seiner Natur gemäß eigentlich ständig. Über die Beschäftigung mit Drohnentechnik, sowohl für Fotografie als auch Video, kam er auf die Idee markante Baudenkmäler in 3D-Objekte umzusetzen. Selbst die Villa Wahnfried war nicht vor ihm sicher oder ein Bahnhof im Bayreuther Umland. Natürlich reicht es nicht, wenn man digitale Daten erstellt, ein 3D-Drucker wurde angeschafft, um Modelle herzustellen, die dann von ihm zuletzt per Airbrush gefinisht werden.

Live-Streaming von Konzerten ist angesagt in Zeiten, in denen Publikum nicht anwesend sein darf. Jochen bedauert, dass die Qualität zu häufig bescheiden gewesen sei. Sein professioneller Anspruch brachte ihm den Auftrag ein, ein Soloklavierkonzert am berühmten Liszt-Flügel aus dem Rokokosaal bei Steingraeber zu streamen. Eine Technik, die ganz und gar nicht trivial ist, da die Latenzen zwischen Bild und Ton ausgeglichen werden müssen, so dass Ton und Video synchron sind und das in Echtzeit. Das beherrscht wirklich nicht jeder.

Natürlich bin ich beeindruckt von so viel Erfahrung und Wissen, kann mir natürlich nur die Hälfte der genannten Fachausdrücke und Geräte merken, aber lasse mich zum Schluss noch schnell mit einem iPhone und 3D-Software scannen.

Hoffnung, Liebe und Freiheit

Viel Symbolik verbirgt sich in dieser New-York-Collage. Zwei große rote Statuen aus Buchstaben (sog. four-letter-words, aber keine unflätigen) gibt es in Manhattan: „Hope“ und „Love“. Sie sind ein beliebter Hintergrund für Selfies und Porträts. Links im Hope-Bild ist ein Pärchen gerade beim Posieren für ein Verlobungsshoot zu sehen (der Fotograf ist außerhalb des Bildes zugange).

Die zweite Skulptur widmet sich dem Thema „Liebe“, auch sie wird von fotografierenden Touristen belagert.

Ein New-York-Klassiker ist für „Liberty“ oder die Freiheit zuständig:

Die gelben Taxis nebst Zebrastreifen und Fußgänger dürfen natürlich auch nicht fehlen:

Im weiteren Sinne hat der Breakdancer auch eine Art Aura von Freisein um sich, er balanciert aber freigestellt auf dem Hope-Schriftzug im Bild:

Und was wäre eine Collage ohne den Time Square? Richtig, unvollständig!

Alles zusammengemixt und – voilà – die Collage ist fertig.