Knipseritis, fortgeschrittene

Hero Handy

Es ist ein ständiger Begleiter, der perfekte Schnappschussapparat. Kaum jemand, der kein Smartphone in der Handtasche oder am Leib trägt. Und damit gelingen jedermann schöne Erinnerungen an Ausflüge, vor allem bei gutem Licht. Die Grenzen der Physik eines minikleinen Sensors mit flachen Objektiven ist jedoch schnell erreicht. Gerade, wenn es schummrig ist oder sich ein Objekt schnell bewegt. Verrauscht und verwackelt sind dann oft die Ergebnisse.

Das ist meist zu verschmerzen, denn i.d.R. haben die Bilder emotionalen Wert. Auch wenn die Bildqualität anspruchsvollen Augen nicht genügt und man die Ergebnisse kaum in Wettbewerbe einreichen würde, so sind es doch einzigartige Zeugnisse der Vergangenheit.

Zu Silvester scrollte ich durch mein fotografisches Jahr 2024 im iCloud-Feed und ließ die Ereignisse Revue passieren, Alltag, Freizeit, Urlaub und überhaupt: besondere Momente, die ich zu dem Zeitpunkt der Aufnahme festhaltenswert fand. Und das Schöne: sie sind automatisch mit Metadaten versehen und in die Cloud verstaut, wo ich nach Zeit, Ort oder Gesichtern suchen kann. Ich möchte die KI nicht mehr missen und begrüße alle Fortschritte, die mir das Organisieren und Ordnen der Bilderflut erleichtern.

Aber dann habe ich noch ein paar dedizierte digitale Fotokameras im Regal stehen, die mich zusehends verstaubter mahnen, sie doch wieder einmal einzusetzen. Und dazu eignen sich außergewöhnliche Fotovorhaben natürlich besonders. Also geplante Einsätze mit technischen Finessen, die ein Handy nicht kann.

 

Langzeitbelichtung von 9 Sekunden auf der nebligen Karlsbrücke im November 2024. Eine Person fotografierte und bewegte sich dabei.

 

Früh um 6 im Novembernebel auf der Prager Karlsbrücke mit dem Reisestativ und bei vier bis neun Sekunden Langzeitaufnahmen gemacht. Nimm das, Smartphone! Zum Vergleich habe ich auch ein bisschen mit dem iPhone geknipst, um einen Vergleich zu haben. Überrascht war ich, dass brauchbare Bilder dabei herauskamen. Mittlerweile kann ich auch hier RAW-Dateien bearbeiten, Tiefen aufhellen und Rauschen reduzieren. Für die Zukunft freue ich mich auch hier über Verbesserungen aus dem Hause Apple, vor allem auf höhere Auflösung (12 MPix geht gerade noch) und auf KI-gestützte Qualitätsverbesserung in Echtzeit. Geometrische Korrekturen, Belichtung und Farbigkeit bereits bei der Aufnahme automatisch anzupassen, das wird die Zukunft sein.

 

Fuji X-T4, 18 mm, 3,5 Sekunden bei f9, ISO 400

 

Da, wo mit der Ausrüstung Effekte erzielt werden sollen, z.B. mit lichtstarken Objektiven, die den Hintergrund unscharf werden lassen, wird eine Kamera nach wie vor gebraucht. Zwar kann die bisher eingesetzte Bearbeitung im Handy auch sowas simulieren, aber letztlich ist Fotografie gerade wegen dieser technischen Möglichkeiten so faszinierend.

 

Die gleiche Szene mit dem Smartphone. Zur Darstellung am Bildschirm wirklich nicht schlecht. iPhone 14 Pro, 6,86 mm, 1/30 Sekunden, ISO 1250

 

Schön, dass man die Wahl hat und die Bilder aus dem Hero Handy immer besser werden.

Pragissimo!

Seit März 2020 habe ich es nicht mehr geschafft, nach Prag zu reisen. Dabei ist die meines Erachtens aufregendste Landeshauptstadt unserer Nachbarländer, von meiner Residenz nur eine 3-stündige Flixbusfahrt entfernt. Ich nehme es mir fest vor, bald in so ein grünes Gefährt zu springen, am Busbahnhof Florenc in die gleichnamige U-Bahn zu steigen und entspannt lächelnd in die Innenstadt zu gleiten. Nächster Halt: Karlsbrücke.

Dort springen fotogene Tibetmönche einem vor die Kamera oder das Handy und Besucher aus Israel mit Kipa und Tichel sind in Fotolaune. Wie praktisch ist es, über die Brücke zu flanieren und die ganze Welt zu treffen!

Vor ein paar Jahren hatte ich die Gelegenheit, František Kollmann zu erleben, den legendären Personenschützer von Václav Havel, der leider im vergangenen Jahr (2023) im Alter von 76 Jahren gestorben ist. Auf den Bildern sieht man, wie eine seiner typischen Grafiken mit Mischtechnik, mithilfe von Tusche, Kaffee, Bier oder Asche entsteht. Seine Lieblingsmotive waren Samuraireiter und Segelschiffe. Den Abend werde ich nie vergessen, auch wenn ich kein Wort verstanden habe. Umso mehr konnte ich mich auf sein Malen konzentrieren, und war fasziniert, mit welcher Leichtigkeit „Franta” beidhändig Fantasiewelten entstehen ließ.

Als Bayreutherin habe ich den großen Vorteil, dass wir hier einen der ältesten noch in Gebrauch befindlichen jüdischen Friedhof Europas besitzen. Ein Kleinod, durch das der Vorsteher der israelitischen Kultusgemeinde Felix Gothart seltene, aber umso faszinierendere Führungen macht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdischer_Friedhof_(Bayreuth)

Aber der alte jüdische Friedhof in Prag ist unvergleichlich und einzigartig. Viele Gräberschichten übereinander gestapelt wirken die Steine, wie wenn sie tanzen oder torkeln.

So viele Orte es gibt, die aus der Vergangenheit Geschichten erzählen, so ist Prag doch auch eine moderne Stadt mit lebendiger Architektur. Gefühlt jeder zweite hat hier Kunst studiert oder zumindest Ambitionen in diese Richtung. An vielen Ecken gibt es etwas zu entdecken, hochkarätige Ausstellungen, Kunstgewerbe, atemberaubende Häuser (das tanzende Haus, Ginger and Fred, s. Bild unten) bis zum sich in vielen Scheiben rotierenden Kafka-Kopf von David Černý. (s. Titelbild).

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz-Kafka-Kopf

https://de.wikipedia.org/wiki/Tanzendes_Haus

40-jähriges Bühnenjubiläum fällt aus

2020 wäre es soweit gewesen und Werner Thieroff (Jahrgang 1961) hätte sein 40-jähriges Bühnenjubiläum im Casino in Bad Steben gefeiert. Dieses ist jedoch derzeit immer noch gesperrt, ihr wisst warum … Der Sänger und Gitarrist zerrt scherzhaft an den Türgriffen, ihm fehle tatsächlich das Performen, die Kommunikation mit dem Publikum in Wort und Musik. Zu gerne ist er Alleinunterhalter, Stimmungsmacher, manchmal auch mit Backup, nachdem er lange in Bands gespielt hatte. Vielleicht ist dem ein oder anderen die Gruppe „Pop nach 8“ noch ein Begriff. Doch dann entwickelte sich Werner in Richtung Minimalismus, zu einer direkteren und intensiveren Interaktion mit den Menschen, die seine Musik lieben.

Ich bin ein Star, lasst mich hier rein!

Er mache das nicht des Geldes wegen, es geht also wirklich primär um die Musik, die ihn vor 44 Jahren leidenschaftlich gepackt und nicht mehr losgelassen hat. Mit 16 kaufte er sich gegen den Willen seiner Eltern eine Gitarre, auf der er dann viele Stunden am Tage klampfte, ohne zu wissen, wie man sie stimmt oder nach Noten spielt. Akkorde zeigten ihm andere. Immerhin ein Jahr später durfte er in der örtlichen CVJM-Band spielen, aber bald wollte er richtig rocken und ließ die christliche Musik hinter sich.

Ausblick in die Zukunft

Nach dem hehren Versuch, mit selbst geschriebenen Liedern in einer selbst gegründeten Band zu überzeugen, schloss er sich dann doch einer kommerziellen Coverband mit Tanzmusik an. Motorräder und Gitarren wollten finanziert werden. Sogar bundesweiter Erfolg als beste Coverband Deutschlands war ihm beschieden und bald stand die Entscheidung an, ob er sein Hobby zum alleinigen Broterwerb machen sollte.

Wer möchte da keine Gitarrenstunden nehmen?

Er scheute davor zurück und arbeitete parallel zu den Auftritten bis heute im Marketing und Eventmanagement einer Bank. Dies sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen, meint er im Hinblick auf die leidenden Kollegen, die sich ob der coronabedingten Umsatzausfälle kaum über Wasser halten können.

An dem Ort, wo er im Umkreis von wenigen Hundert Metern die meisten Auftritte hatte (Lichtenberg)

Werner ist aber auch ein findiger Mensch, der neue Ideen austestet. Z.B. füllt er derzeit die Aufführungslücken mit Gitarrenstunden. Eine gute Sache in Zeiten von lockdowngeplagten Kindern und Jugendlichen, die sich so kreativ mit Musik und Singen beschäftigen können. Wie ich finde, die beste Beschäftigungstherapie.

Werner spielt den Blues …

Werner gibt also heute seine alte Liebe zur Musik an die nächsten Generationen weiter, bis er – so hofft er – wieder an sein altes Leben als Performer anknüpfen kann.

In diesem Podcast erfahrt ihr u.a., was seine Meinung zur momentanen Notlage ist und welche Strategien er zur Bewältigung einsetzt: