Bildinhalt auf der Flucht
Ein paar ungeordnete Gedanken zur Street Photography
Es gab eine Zeit, da fotografierte ich Dinge, um zu sehen, wie sie fotografiert aussähen. Kerzenflammen, Orchideen, Bäume und Graffitimauern. Aber wenn ich die Bilder heute betrachte, haben sie eigentlich nur noch einen dokumentarischen Wert. Ich erinnere mich an die zeitweise langweilige Familienfeier, bei der die Tischdeko herhalten musste, weil die Anwesenden mir Schläge androhten, wenn ich nicht sofort aufhören würde, Aufnahmen von ihnen zu machen. Kennt man.
Und doch sind Bilder mit Menschen wesentlich interessanter. Nehmen wir alte Stadtansichten, gerade die Kleidung und die Frisuren der Passanten geben der Straße, die man jetzt in stark veränderter Form kennt, das Gesicht der Zeit. Wie gut, dass kurz nach Aufkommen der Fotografie die Leute geradezu wild darauf waren, sich in Grüppchen aufzustellen, um mit aufs Bild zu kommen, war das doch damals etwas ganz besonderes. Zeitgenössische Streetfotografen können ein Lied davon singen, wie fotoscheu wir im Zeitalter der Handyknipser- und Facebookposterei geworden sind. In Deutschland grenzt das teilweise an Fotoparanoia (<– gibt es das überhaupt als Begriff?)
Also Street-Fotografie scheint die größte Bedeutung nach Ableben aller Beteiligter zu haben, worauf das faszinierende Beispiel von Vivian Maier hinzuweisen scheint. Zeit ihres Lebens hat sie viel Filmmaterial belichtet, von dem der Großteil wegen Geldknappheit niemals entwickelt wurde. Vielleicht war dem fotografierenden Kindermädchen auch die Tätigkeit an sich wichtiger als das Auswerten der Negative … Heute sind die Bilder ein unglaublicher Schatz für die Nachwelt, der sich von den 1950er Jahren bis kurz vor ihrem Lebensende 2009 ansammelte.
Wer heute mit gezückter Kamera durch die eigene Heimatstadt flaniert oder im Urlaub unbekannte Lebenswelten fotografisch erkundet, muss wissen, dass er sich nicht im rechtsfreien Raum bewegt:
http://anwalt-im-netz.de/urheberrecht/recht-am-eigenen-bild.html
Einer der bekanntesten zeitgenössischen Vertreter der Street Photography ist Thomas Leuthard.
Auf seiner Webseite kann man geniale Galerien und kostenlose E-Books zum Thema finden:
http://thomas.leuthard.photography
In meinem nächsten Auslandsurlaub werde ich wieder rückfällig werden und armen Passanten fotografisch nachstellen. Street Photography ist für einen Fotografen mit Anspruch allerdings problematisch, weil sie anonym ist und dem Zufall unterworfen. Als Reisezeitvertreib reizvoll, aber für die eigene Portfolioarbeit nicht zielführend. Hier bevorzuge ich lieber Projekte mit direktem Personenbezug.
Mein nächstes Vorhaben sind Parcours-Künstler in Bayreuth, wenn sich das Wetter bessert.
To be continued!